3
Nov
2007

Abschied nehmen...der Tod als Bestandteil des Lebens

Ich war 9 Jahre alt, als mein Großvater das zeitliche segnete. Es war das erste Mal dass ich so direkt mit dem Tod konfrontiert wurde. Während mein kleiner Cousin den Pfarrer mit den Worten "Opa ist jetzt bei den Engeln" beglückte, war ich still und in mich gekehrt. Ich weinte nicht als ich die Nachricht bekam und ich weinte nicht während des Begräbniss, weder in der Kapelle noch am Grab. In meinen Augen, in dem Verständniss das ich als 9jähriger hatte, war mein Großvater von großem Leid befreit. Er hatte nach schwerer Krankheit die Reise in die Ewigkeit begonnen und musste nun keine Schmerzen mehr ertragen. Mein Großvater hatte ein erfülltes Leben...wenn man es so nennen kann. Krieg, Gefangenschaft und Flucht sind sicherlich keine Erfahrungen die man mit Stolz in sich trägt, aber mein Großvater hatte für mich persönlich immer etwas ehrwürdiges...etwas ruhiges und friedliches an sich. So habe ich ihn in Erinnerung...so bleibt er in mir lebendig.

Ich habe vor wenigen Tagen ein japanisches Computerspiel gespielt, natürlich auf Englisch, es handelte ebenfalls vom Umgang mit dem Tod einer nahe stehenden Person. Ein Spiel das von Erzkonservativen wohl als Unheil verglimpft wird, von der Fangemeinde allerdings als Kunstwerk betrachtet wird (zurecht wie ich finde!). In warm gezeichneten Bildern wird von einem Geschwisterpäärchen erzählt, das miteinander aufwächst und sich näher kommt. Die kleine Schwester ist schwer krank und ihr Bruder lebt mit dem Wissen dass diese Krankheit tödlich enden kann. Man erlebt die gesamte Geschichte in Augen des Bruders, der seine kleine Schwester langsam aufwachsen sieht...die meiste Zeit davon in einem Krankenhaus.
Es gibt 6 Enden, je nachdem welche Entscheidungen man im Laufe des Spiels trifft, ändert sich der Verlauf der Geschichte. Nur ein Ende kann als positiv dargestellt werden...die anderen enden jeweils im Tode der, wie sich später herausstellt nicht blutsverwandten, Schwester.

Es ist das erste und wahrscheinlich das einzige Mal gewesen das ein Computerspiel mich zum weinen gebracht hat....nicht einfach zum weinen, nein ich habe mir die Augen aus dem Kopf geheult. Jedes der 5 "negativen" Enden hat mir die Tränen in die Augen geschossen...es ist eine herzergreifende Geschichte, bisher haben soetwas nur Bücher und Filme bei mir hinbekommen. Für mich ist dieses Spiel eines der besten, dass ich je gespielt habe....ein nicht überall beliebtes Genre und besonders die japanischen Spiele haben in Deutschland ein großes Manko (die Vorurteile), aber für mich hat dieses Spiel eine große Bedeutung.

Es hat mich zum Nachdenken gebracht.
Es erinnerte mich unter anderem an eine todkranke, junge Frau die ich vor Jahren kennengelernt habe und mit der ich heute noch sporadischen Kontakt habe.

Es ist ein komisches Gefühle jemanden zu kennen, der morgen nicht mehr da sein kann! Klar dass kann jedem passieren, aber nicht jeder hat eine Krankheit die ein Ausrufezeichen hinter diesen Satz stellt. Was muss das für ein Gefühl sein jeden Morgen fürchten zu müssen dass es der letzte ist, den man erlebt? Mit welchem Gefühl geht man abends zu Bett, wenn man weiß dass man eventuell nicht mehr aufwacht? Wie empfindet man einen Streit mit einem Freund oder einem Verwandten, wenn man weiß dass es vielleicht das letzte Mal war, dass man denjenigen getroffen hat? Ich erinnere mich an eine solche Situation, als wir beide eine Meinungsverschiedenheit hatten....es ist ein unglaublich schlechtes, beunruhigendes Gefühl nicht zu wissen ob man sich in zwei Wochen noch entschuldigen kann oder es lieber heute tut. Ob man lieber heute oder morgen Frieden schließt.

Das Spiel von dem ich gesprochen habe, hat einige "intelektuelle Enden" die sich mit dem Thema "Auseinandersetzung mit dem Tod" beschäftigen. In diesen Geschichten wird erzählt wie die Schwester und der Bruder damit umgehen und wie dieser Umgang mit dem Thema allgemein hilfreich wäre.
Die Weisheiten die dieses Spiel rüberbringt sind alle bekannt...aber die Richtigkeit und die Wichtigkeit dieser Sätze wird durch dieses Spiel noch stark unterstrichen. Sätze wie: "Genieße jeden Tag" oder "Der Tod ist leichter zu ertragen, wenn man weiß dass man sein Leben so gelebt hat, dass man zufrieden gehen kann" oder "Ich habe keine Angst vor dem Tod, denn ich lebte ein glückliches Leben". Aber auch Sätze der Wut und Enttäuschung finden sich....man durchlebt die Ängste und Enttäschungen, die Wut und die Trauer der teilnehmenden Figuren, als wäre man selbst ein Teil dieser Geschichte.

Es ist ein Spiel dass mich an Dinge erinnert hat....an Gedanken die tief in mir immer wieder einschlummern, aber im Grunde lange Zeit bereits da waren. Es erinnert mich daran mein Leben nicht mit schlechten Gedanken zu bestreiten, viel zu lachen und viele Menschen glücklich zu machen. Es erinnert mich daran dass auch ich irgendwann gehen werde(n muss) und bis dahin noch unbekannt viel Zeit habe, um meinen Freunden, meiner Familie, all den Menschen die mir wichtig sind zu zeigen dass ich glücklich mit ihnen bin.

Beenden möchte ich diesen Eintrag mit einem Satz aus dem Spiel und einem frei wiedergegebenen Kommentar von einer Fan-Seite des Spiels. Auf dieser englisch-sprachigen Fan-Seite bezeichnet der Autor das Spiel als ein Spiel das viele harte Männer zu einem kleinen Häufchen heulendes Elend reduziert hat (schuldig im Sinne der Anklage!) und viele seiner Spieler zum Nachdenken über das eigene Leben angeregt hat (ebenfalls voll schuldig!).
In einem anderen Kommentar auf einer anderen Seite, spricht der Kommentierende auf seine Lieblingsszene an. Schwester und Bruder befinden sich am Strand und beim Anblick des Ozeans sagt die kleine Schwester: "Ich habe keine Angst mehr, denn ich habe das Meer gesehen!"
Eine meiner Lieblingsszenen: "Wenn ich sterbe, werde ich machen dass es schneit"! Und als sie stirbt schneit es und der Bruder sagt: "Sie hat ihr Versprechen eingelöst. Als ihr Herz aufhörte zu schlagen, begann es zu schneien."
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