Die Umwelt: Die individuelle Interpretation eines Kunstwerks
Herr Schmidt philosophiert über den Menschen und seine Eigenarten.
"Ich meine diese allgemeine Unfähigkeit einen Menschen so wahr zu nehmen, wie er wirklich ist."
Es gibt diese Theorie, die ich bereits einige Male gehört habe, dass die Umwelt für jeden einzelnen Menschen anders ist. Um Herrn Schmidts Vergleich heranzuziehen: Meine Interpretation eines Kunstwerks ist nicht kompatibel mit einer anderen Festplatte außer meiner.
Wenn zwei Personen aus dem gleichen Fenster schauen, sehen sie mitnichten dasselbe. Sie sehen beide die Straße, den Baum, den Himmel. Aber sie sehen nicht dasselbe darin. Wir sehen mit unseren Augen, nie mit den Augen eines anderen.
Spinnen wir diese Theorie weiter, kommen wir fast automatisch zum Kernsatz von Herrn Schmidts Beitrag, den ich oben zitiert habe. Ist es schlicht aufgrund der oben angesprochenen Theorie unmöglich einen Menschen so wahr zu nehmen wie er ist? Oder steckt mehr dahinter?
Natürlich muss mehr dahinter stecken, denn mit einer so lapidaren Formulierung wie: "Wir interpretieren den anderen einfach anders, als er sich selbst" kommen wir nicht weiter.
Ich muss weiter ausholen (weiter in meinem Hirn und weiter in meinem Text).
Als ich vor einigen Jahren meine mir nun schon länger bekannten Arbeitskollegen kennenlernte, bekam ich öfter interessante Formulierungen über mich mit. Ich wurde zum Beispiel als durchaus positiv gestimmter Mensch angesehen, der mit einer gewissen Leichtigkeit und positiven Grundstimmung durchs Leben geht. Ich war erstaunt, fast erschrocken über dieses Bild das da gemalt wurde. Positive Grundstimmung? Ich hätte mich selbst eher als grundlegend negativ, ängstlich und pessimistisch eingeschätzt.
Heute würde ich beides als falsche Aussage hinstellen. Ich selbst habe nur ein kleines Spektrum meiner Persönlichkeit betrachtet, als mir dieser Gedanke kam. Der Kollege der seine Aussage tätigte hat wiederum ein anderes Spektrum gesehen.
Wir betrachten also den Mensch selten als Ganzes, sondern sehen ihn in einer Situation. Im Büro bin ich sicherlich ein gut gelaunter Mensch, der für jeden Spaß zu haben ist. Im Freundeskreis kann ich mehrere Facetten haben und in der Familie bin ich zurückgezogen und still. Und wenn ich allein für mich bin, habe ich vollkommen andere Facetten die ich an den Tag lege.
Der 1. Punkt ist also die Situation. Die Wahrnehmung ist situationsabhängig. Aber kann das alles sein? Nein.
Es folgt der zweite Punkt den ich ebenso mit einer Geschichte erläutern will.
Vor einigen Jahren lernte ich eine junge Frau kennen, die ihren Freund zur damaligen Zeit vergöttert hat. Sie lag ihm zu Füßen und hätte nie böses über ihn sagen können. Viele, viele Telefonate und Chatgespräche später, wurden die Probleme größer und immer unverständlicher für sie. Sie war unglücklich, aber konnte ihr Unglück nicht verstehen und die Situation nicht ändern. Ihr Freund belog und betrog sie und sie nahm es kaum wahr. Er hatte zwei Freundinnen gleichzeitig, kaum mehr Zeit für die eine und machte ihr sogar Vorwürfe. Aber sie glaubte an ihn und ihre Liebe. Zwei Personen sprachen gleichzeitig auf sie ein, versuchten ihr klar zu machen dass sie sich getäuscht hat in ihm. Aber sie fluchte über diese Leute und blieb bei ihrem Freund.
Die Geschichte nimmt noch ein gutes Ende, aber darum geht es hier ja nicht.
Wir sehen also dass Emotionen ebenso die Sicht auf eine Person oder Sache trüben bzw. verändern können. "Liebe macht blind" sagt der Volksmund. Aber ebenso können Hass, Wut, Trauer und andere Emotionen unsere Wahrnehmung stören. Unsere Gefühle sind stärker als unser Gehirn und so können wir gewisse Warnzeichen nicht mehr wahrnehmen. Wir hören, sehen und schmecken Gefahren und/oder Veränderungen nicht, weil unser Gefühl größer ist und weil wir es für "heiliger", wichtiger halten. Unser Gefühl zu ändern würde schwieriger sein, als unsere Wahrnehmung einfach zu ändern.
2 Begründungen habe ich genannt: Situation und Emotion. Weitere Gründe? Durchaus!
Einer der ältesten Gründe für Krieg, Mord und Totschlag: Der Wille.
Auf diesen Trieb muss ich sehr genau eingehen!
Der Wille ist ein grundlegend in jedem Menschen verankerter (Selbsterhaltungs-)Trieb. Sogar Selbstmörder haben einen solchen! (Erklärung folgt später).
Schopenhauer sagt, der Wille könne nie frei sein (der freie Wille ist also undenkbar)! Jeder Mensch ist an diesen Willen gekoppelt. Doch was ist der Wille? Der Wille ist nichts anderes als die Zusammenfassung aller Triebe. Der Selbsterhaltungstrieb, der Trieb zur Vermehrung, der Hunger, der Durst etc. Jeder Mensch folgt diesen Trieben. Auch ein Selbstmörder folgt diesem Trieb! Weil er sich nämlich für unglücklich hält und die Möglichkeit den Trieb zu verfolgen nicht mehr für gegeben sieht, bringt er sich um. Nicht weil er seinem Trieb nicht mehr folgt.
Kommen wir zurück zur Frage: Warum also ist dieser "Wille" oder Trieb auch für unsere Wahrnehmung bzw. Interpretation verantwortlich? Weil jeder Mensch bestrebt ist, glücklich und zufrieden zu sein wird er seine Umwelt entweder selbst so verändern wie er es für richtig hält oder er schafft sich Trugbilder. Wenn ein Mensch beispielsweise in der Natur und in der Einsamkeit glücklicher ist, wird er versuchen aufs Land zu ziehen, Einsiedler zu werden oder ähnliches. Münzen wir das um auf die Mitmenschen. Unsere Mitmenschen können uns glücklich machen, indem sie Dinge tun oder sagen, aber auch wenn ihr Bild in unseren Köpfen uns glücklich macht. Will sagen: Wenn es den König glücklich macht, dass sein Volk ihn als würdevollen, ehrgeizigen und gutmütigen König sieht, dann wird sein Volk ihn so sehen. Ob es nun stimmt oder nicht. Der blutrünstigste Tyrann selbst, kann sein Volk als dankbar für seine Gütigkeit ansehen. Solange ihn dieses Bild glücklich macht wird er es in seinem Kopf projezieren.
Genau so verhält es sich mit jedem Menschen. Solange wir in einen anderen Menschen projezieren können, was und wie wir wollen, können wir glücklich und zufrieden mit diesem Menschen sein. Es gibt nur zwei Möglichkeiten dieses Bild zu zerstören: Entweder der andere Mensch zerstört unser Bild oder wir können es selbst nicht mehr aufrecht erhalten.
Wenn mein Chef mich für einen guten und loyalen Mitarbeiter hält, muss er mir das nie gesagt haben. Er kann mir den Eindruck machen...sogar wenn er mich tadelt, kann ich das Bild aufrecht erhalten. Ich kann beispielsweise mir selbst sagen: Das war konstruktive Kritik, ich kann mich bessern und mein Chef glaubt an mich. Er hält mich weiterhin für einen guten Mitarbeiter, der hier einen kleinen Fehler gemacht hat. Erst wenn mein Chef dieses Bild völlig zerstört oder ich selbst mich nicht mehr betrügen kann, wird sich mein Bild das ich von ihm habe ändern.
Wir formen den Menschen also so, wie es für uns aus unterschiedlichen Gründen richtig ist. Bedingt durch die Situation und unsere Emotion, schaffen wir uns ein Bild dass "in unser Gesamtbild passt", das uns also selbst auch gefällt. Auch anders herum ist das zu erklären: Ein Bild das uns nicht gefällt, werden wir entweder solange ändern/umformen bis es uns gefällt oder wir verwerfen es. Ein Bild das uns nicht gefällt wäre schlicht und einfach nicht unser Wille. Es ist nicht der Trieb der Menschen den wahren Menschen zu sehen, sondern ein Bild das uns gefällt, uns passt, uns motiviert, uns stärkt. Das ist egoistisch? Ja! Aber so ist der Mensch.
Die oben zitierte Unfähigkeit den Menschen so zu erkennen wie er wirklich ist, ist nichts anderes als ein Trieb, der durch Situation oder Emotion noch verstärkt werden kann.
Und jetzt können die Gutmenschen auf mich einschlagen und mir Schopenhauer austreiben...ich bleibe dabei: Auch der Mensch ist Triebtäter! (neben dem Tier) ;)
"Ich meine diese allgemeine Unfähigkeit einen Menschen so wahr zu nehmen, wie er wirklich ist."
Es gibt diese Theorie, die ich bereits einige Male gehört habe, dass die Umwelt für jeden einzelnen Menschen anders ist. Um Herrn Schmidts Vergleich heranzuziehen: Meine Interpretation eines Kunstwerks ist nicht kompatibel mit einer anderen Festplatte außer meiner.
Wenn zwei Personen aus dem gleichen Fenster schauen, sehen sie mitnichten dasselbe. Sie sehen beide die Straße, den Baum, den Himmel. Aber sie sehen nicht dasselbe darin. Wir sehen mit unseren Augen, nie mit den Augen eines anderen.
Spinnen wir diese Theorie weiter, kommen wir fast automatisch zum Kernsatz von Herrn Schmidts Beitrag, den ich oben zitiert habe. Ist es schlicht aufgrund der oben angesprochenen Theorie unmöglich einen Menschen so wahr zu nehmen wie er ist? Oder steckt mehr dahinter?
Natürlich muss mehr dahinter stecken, denn mit einer so lapidaren Formulierung wie: "Wir interpretieren den anderen einfach anders, als er sich selbst" kommen wir nicht weiter.
Ich muss weiter ausholen (weiter in meinem Hirn und weiter in meinem Text).
Als ich vor einigen Jahren meine mir nun schon länger bekannten Arbeitskollegen kennenlernte, bekam ich öfter interessante Formulierungen über mich mit. Ich wurde zum Beispiel als durchaus positiv gestimmter Mensch angesehen, der mit einer gewissen Leichtigkeit und positiven Grundstimmung durchs Leben geht. Ich war erstaunt, fast erschrocken über dieses Bild das da gemalt wurde. Positive Grundstimmung? Ich hätte mich selbst eher als grundlegend negativ, ängstlich und pessimistisch eingeschätzt.
Heute würde ich beides als falsche Aussage hinstellen. Ich selbst habe nur ein kleines Spektrum meiner Persönlichkeit betrachtet, als mir dieser Gedanke kam. Der Kollege der seine Aussage tätigte hat wiederum ein anderes Spektrum gesehen.
Wir betrachten also den Mensch selten als Ganzes, sondern sehen ihn in einer Situation. Im Büro bin ich sicherlich ein gut gelaunter Mensch, der für jeden Spaß zu haben ist. Im Freundeskreis kann ich mehrere Facetten haben und in der Familie bin ich zurückgezogen und still. Und wenn ich allein für mich bin, habe ich vollkommen andere Facetten die ich an den Tag lege.
Der 1. Punkt ist also die Situation. Die Wahrnehmung ist situationsabhängig. Aber kann das alles sein? Nein.
Es folgt der zweite Punkt den ich ebenso mit einer Geschichte erläutern will.
Vor einigen Jahren lernte ich eine junge Frau kennen, die ihren Freund zur damaligen Zeit vergöttert hat. Sie lag ihm zu Füßen und hätte nie böses über ihn sagen können. Viele, viele Telefonate und Chatgespräche später, wurden die Probleme größer und immer unverständlicher für sie. Sie war unglücklich, aber konnte ihr Unglück nicht verstehen und die Situation nicht ändern. Ihr Freund belog und betrog sie und sie nahm es kaum wahr. Er hatte zwei Freundinnen gleichzeitig, kaum mehr Zeit für die eine und machte ihr sogar Vorwürfe. Aber sie glaubte an ihn und ihre Liebe. Zwei Personen sprachen gleichzeitig auf sie ein, versuchten ihr klar zu machen dass sie sich getäuscht hat in ihm. Aber sie fluchte über diese Leute und blieb bei ihrem Freund.
Die Geschichte nimmt noch ein gutes Ende, aber darum geht es hier ja nicht.
Wir sehen also dass Emotionen ebenso die Sicht auf eine Person oder Sache trüben bzw. verändern können. "Liebe macht blind" sagt der Volksmund. Aber ebenso können Hass, Wut, Trauer und andere Emotionen unsere Wahrnehmung stören. Unsere Gefühle sind stärker als unser Gehirn und so können wir gewisse Warnzeichen nicht mehr wahrnehmen. Wir hören, sehen und schmecken Gefahren und/oder Veränderungen nicht, weil unser Gefühl größer ist und weil wir es für "heiliger", wichtiger halten. Unser Gefühl zu ändern würde schwieriger sein, als unsere Wahrnehmung einfach zu ändern.
2 Begründungen habe ich genannt: Situation und Emotion. Weitere Gründe? Durchaus!
Einer der ältesten Gründe für Krieg, Mord und Totschlag: Der Wille.
Auf diesen Trieb muss ich sehr genau eingehen!
Der Wille ist ein grundlegend in jedem Menschen verankerter (Selbsterhaltungs-)Trieb. Sogar Selbstmörder haben einen solchen! (Erklärung folgt später).
Schopenhauer sagt, der Wille könne nie frei sein (der freie Wille ist also undenkbar)! Jeder Mensch ist an diesen Willen gekoppelt. Doch was ist der Wille? Der Wille ist nichts anderes als die Zusammenfassung aller Triebe. Der Selbsterhaltungstrieb, der Trieb zur Vermehrung, der Hunger, der Durst etc. Jeder Mensch folgt diesen Trieben. Auch ein Selbstmörder folgt diesem Trieb! Weil er sich nämlich für unglücklich hält und die Möglichkeit den Trieb zu verfolgen nicht mehr für gegeben sieht, bringt er sich um. Nicht weil er seinem Trieb nicht mehr folgt.
Kommen wir zurück zur Frage: Warum also ist dieser "Wille" oder Trieb auch für unsere Wahrnehmung bzw. Interpretation verantwortlich? Weil jeder Mensch bestrebt ist, glücklich und zufrieden zu sein wird er seine Umwelt entweder selbst so verändern wie er es für richtig hält oder er schafft sich Trugbilder. Wenn ein Mensch beispielsweise in der Natur und in der Einsamkeit glücklicher ist, wird er versuchen aufs Land zu ziehen, Einsiedler zu werden oder ähnliches. Münzen wir das um auf die Mitmenschen. Unsere Mitmenschen können uns glücklich machen, indem sie Dinge tun oder sagen, aber auch wenn ihr Bild in unseren Köpfen uns glücklich macht. Will sagen: Wenn es den König glücklich macht, dass sein Volk ihn als würdevollen, ehrgeizigen und gutmütigen König sieht, dann wird sein Volk ihn so sehen. Ob es nun stimmt oder nicht. Der blutrünstigste Tyrann selbst, kann sein Volk als dankbar für seine Gütigkeit ansehen. Solange ihn dieses Bild glücklich macht wird er es in seinem Kopf projezieren.
Genau so verhält es sich mit jedem Menschen. Solange wir in einen anderen Menschen projezieren können, was und wie wir wollen, können wir glücklich und zufrieden mit diesem Menschen sein. Es gibt nur zwei Möglichkeiten dieses Bild zu zerstören: Entweder der andere Mensch zerstört unser Bild oder wir können es selbst nicht mehr aufrecht erhalten.
Wenn mein Chef mich für einen guten und loyalen Mitarbeiter hält, muss er mir das nie gesagt haben. Er kann mir den Eindruck machen...sogar wenn er mich tadelt, kann ich das Bild aufrecht erhalten. Ich kann beispielsweise mir selbst sagen: Das war konstruktive Kritik, ich kann mich bessern und mein Chef glaubt an mich. Er hält mich weiterhin für einen guten Mitarbeiter, der hier einen kleinen Fehler gemacht hat. Erst wenn mein Chef dieses Bild völlig zerstört oder ich selbst mich nicht mehr betrügen kann, wird sich mein Bild das ich von ihm habe ändern.
Wir formen den Menschen also so, wie es für uns aus unterschiedlichen Gründen richtig ist. Bedingt durch die Situation und unsere Emotion, schaffen wir uns ein Bild dass "in unser Gesamtbild passt", das uns also selbst auch gefällt. Auch anders herum ist das zu erklären: Ein Bild das uns nicht gefällt, werden wir entweder solange ändern/umformen bis es uns gefällt oder wir verwerfen es. Ein Bild das uns nicht gefällt wäre schlicht und einfach nicht unser Wille. Es ist nicht der Trieb der Menschen den wahren Menschen zu sehen, sondern ein Bild das uns gefällt, uns passt, uns motiviert, uns stärkt. Das ist egoistisch? Ja! Aber so ist der Mensch.
Die oben zitierte Unfähigkeit den Menschen so zu erkennen wie er wirklich ist, ist nichts anderes als ein Trieb, der durch Situation oder Emotion noch verstärkt werden kann.
Und jetzt können die Gutmenschen auf mich einschlagen und mir Schopenhauer austreiben...ich bleibe dabei: Auch der Mensch ist Triebtäter! (neben dem Tier) ;)
Floh82 - 2008/01/23 14:26
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